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Wie das Buch entstand

Am 2. Juni 2003 empfing uns Louise Huber in ihrer wunderschönen alten Villa in Adliswil, ganz in der Nähe des Zürich-Sees. Sie hatte sich bereit erklärt, uns über ihre Zeit der Zusammenarbeit mit Roberto Assagioli zu erzählen, aus der auch das vorliegende Buch, das Grundlagenwerk der Psychosynthese, hervorging. "Ja, das ist natürlich schon eine tolle Zeit gewesen, drei Jahre dort bei Assagioli zu sein!" begann Louise Huber ihren lebendigen Bericht. Bruno Huber, ihr verstorbener Mann, war im Alter von sechzehn Jahren bereits schon einmal zur Beratung bei Assagioli. 1958 machte er sich erneut auf und fuhr mit dem Fahrrad von Genf aus zum Psychosynthese-Kongress nach Florenz. In Capolona, im Park des Landhauses von Assagioli, war ein Camp für alle Teilnehmenden errichtet worden. "Das war natürlich Pionierzeit, das war was ganz Spezielles! Die Leute kamen aus der ganzen Welt. Es war international, hat schon damals die ganze Welt angezogen, die Menschen kamen von überall her."

Bruno Huber blieb drei Wochen lang in Capolona und bekam von Roberto Assagioli den Auftrag, die berühmten Zettelchen, auf die Assagioli seine Gedanken zu notieren pflegte, zusammenzusuchen und zu sortieren, was er mit Engagement und Hingabe tat. "So sagte Assagioli, er brauche eigentlich jemanden, der ihm dabei hilft, dass das Buch aus den ganzen Notizen zusammengeschrieben werden könnte, er selbst schrieb ja keine Bücher, sondern immer nur die Zettelchen." Die 'Psychosynthesis Research Foundation', die damals ihren Sitz in Delaware hatte, ermöglichte dieses Vorhaben, sie stellte das Salär für Bruno und Luise Huber zur Verfügung, so dass sie mitsamt ihrem kleinen Sohn Michael nach Florenz ziehen und diese Arbeit übernehmen konnten.

Assagioli befasste sich gerne mit philosophischen Gedanken, war aber wenig bereit, sich systematisch über Techniken und Methoden zu äußern. Deshalb kam –ebenfalls über die Foundation – Robert Gerard, ein Psychiater aus San Francisco, der wie Louise Huber sagt, "Assagioli die Würmer aus der Nase ziehen sollte". Gerard stellte also unermüdlich seine Fragen an Assagioli und der antwortete. Diese Gespräche wurden auf Tonband aufgenommen und von Bruno und Luise Huber in Buchform gebracht. "Ich war die Tipperin", berichtete Louise Huber, "ich bin dann das Ganze jeden Tag eine Stunde lang mit Assagioli zusammen durchgegangen, um zu verbessern und die Auslese zu prüfen: was aus dem Gespräch war wichtig und soll aufgenommen werden und was nicht.... Oft hab ich auch nicht verstanden, was auf den Bändern aufgenommen war, Englisch ist ja für mich eine Fremdsprache, dann musste ich Assagioli fragen und manchmal haben wir stundenlang gesessen und haben das miteinander ausgehandelt. Meine Fragen gaben ihm Energie und brachten ihn dazu, dass er wieder noch einiges aus sich herausholte. Das war nachdem Robert Gerard schon wieder weg war und wir in Ruhe arbeiten konnten. Es war schon eine Riesenarbeit. Wir haben drei Jahre dafür gebraucht, ein Buch in englischer Sprache daraus zu machen." Das war von 1959 bis 1961.

"In dieser Zeit kamen viele Menschen, die psychiatrische Probleme hatten, zu Assagioli, Hilfesuchende aus der ganzen Welt. Die waren dann halt da in Capolona, Assagioli sprach ja nur eine Stunde am Tag mit ihnen und wir kümmerten uns die restliche Zeit um sie und kochten und malten mit ihnen und machten Experimente in Gruppentherapie, das war sehr aufregend und intensiv. Künstler aus Italien waren da, und Psychologen aus Amerika, mit denen wir Nächte durchdiskutierten. Es bildete sich eine Gruppe von intelligenten jungen Forschern um Assagioli herum.

Roberto Assagioli war für uns gleichzeitig ein Freund, ein gütiger Vater und Helfer. Mentale Zweifel, Unsicherheiten oder Streitigkeiten klärte er auf höchster, mentaler Ebene. Für mich war er der Archetyp des weisen Mannes, er war unglaublich tolerant, gütig und hochintelligent. Man konnte ihm nichts weismachen, sofort durchschaute er die Schleier der Täuschung und löste sie in nichts auf. Das war das Tollste an ihm. Probleme irgendwelcher Art löste er einfach auf, sie waren plötzlich nicht mehr da, verloren ihren Schmerz, sie waren nicht mehr wichtig, sie klärten sich durch seine Anwesenheit. Diese heilende Wirkung machte ihn auch als Therapeut berühmt. Deshalb kamen auch so viele Menschen zu ihm, die von anderen Psychologen oder Psychiatern bereits aufgegeben worden waren. Er entdeckte die Ursache ihrer Krisen in ihrer geistigen Entwicklung und klärte das Bild, indem er die Gesetzmäßigkeiten des geistigen Entwicklungsweges aufzeigen konnte."

Er hatte so einen feinen Humor. Er sagt immer: 'Humor ist die Frucht der Weisheit'. Ich habe sehr große Ehrfurcht vor ihm empfunden, er strahlte eine solche Würde aus, er hatte überhaupt eine unwahrscheinliche Ausstrahlung! Auf den meisten Fotos, die man von ihm kennt, ist er ja schon älter, da war er dann schon sehr subtil. Als er noch jünger war, in den Jahren als wir bei ihm lebten, war seine Kraft noch viel direkter, später war er dann so zerbrechlich, auch schwerhörig, aber damals noch nicht, da war er ja erst etwa siebzig."

"Jeden Morgen begannen wir mit einer Meditation. Wir haben uns eingeschwungen auf den Bereich der Seele, auf die Höheren Energien und uns darauf ausgerichtet, dass wir unseren Teil beitragen wollen zur Evolution, uns in Dienst stellen wollen. Die Meditation war auf den Willen ausgerichtet: das war ganz willensdurchdrungen. Es ging nicht um das, was man als Liebe bezeichnet. Den Tag über war Assagioli durch und durch Liebe, er strahlte das aus, er war immer ganz da, sanft und liebend. Nein, er war kein vitaler Typ, sondern ein liebevoller. Wenn man nur in seiner Nähe war, ging es einem schon besser, er war ein echter Heiler. Aber in der Meditation kam der Wille durch. Da hatte er eine unwahrscheinliche Kraft."

Wiederbegegnung: Die zweite deutsche Ausgabe
1986 kam David Bach vom Berkshire Center of Psychosynthesis zum ersten Mal nach Wolfegg im Allgäu. Dr. Ursula Reincke hatte ihn eingeladen, um dort die erste Ausbildung in Therapeutischer Psychosynthese in Deutschland aufzubauen. Damals war das Handbuch der Psychosynthese das 1978 in deutscher Sprache im Aurum Verlag erschienen war, bereits seit längerer Zeit vergriffen.

Im Rahmen seiner ersten Aufenthalte in Wolfegg nutzte David Bach die Gelegenheit, um Bruno und Louise Huber in Adliswil kennenzulernen. Das Berkshire Center besaß die weltweiten Rechte an dem Buch, die Hubers hatten einen Verlag – so kam 1988 eine zweite deutschsprachige Auflage zustande im Astrologisch-Psychologischen Verlag, Adliswil/Zürich.

"Es war David Bach, der uns damals animiert hat, das Buch in unserem Verlag herauszubringen", berichtet Luise Huber. Das ganze Buch musste dafür überarbeitet werden, die alte Übersetzung wurde durchgesehen anhand des englischen Originals. "David Bach ist dabei ein ganz schön zäher Brocken gewesen. Er hat nicht nachgelassen als er an der Übersetzung des Buches gefeilt hat. Viele Stunden hat er hier gesessen und daran gearbeitet, oft auch mit Irène Wieser zusammen. Er hat uns alle arbeiten lassen! Eine ganze Gruppe von Menschen hat in der Zeit wieder an dem Buch gearbeitet, so wie damals schon."

David Bachs Engagement ist es auch zu verdanken, dass 1993 eine weitere Auflage bei rororo, Reinbeck bei Hamburg erschien. Dass ein so renommierter Verlag das Buch herausbrachte war ein wichtiger Schritt zur Verbreitung der damals in Deutschland immer noch weithin unbekannten Psychosynthese. Inzwischen sind alle diese Ausgaben vergriffen, ein gutes Zeichen: das Buch wird gebraucht.

Aller Anfang ist Begeisterung. So wie Luise Hubers Bericht über die frühen Jahre der Psychosynthese in Florenz und Capolona berichtet, haben auch wir unsere frühen Jahre als Zeit des Aufbruchs, der Neugestaltung und der Inspiration erlebt. Als David Bach 1986 nach Wolfegg kam und gemeinsam mit uns begann, das Psychosynthese Haus und damit die erste Psychosynthese-Ausbildung in Deutschland aufzubauen, haben sich zwischen uns viele Ideen, Bilder und Zukunftsentwürfe gestaltet. Eine diese Ideen war, dass wir einmal die Möglichkeit haben würden, das Grundlagenbuch der Psychosynthese, das wir im Rahmen der Fort- und Weiterbildungen einsetzen, herauszubringen. Diese Idee hat über die Jahre geruht und ist jetzt zur Reife gekommen.

David Bach hat 2002 die deutschsprachigen Rechte mit dem Einverständnis von Louise und Michael Huber an uns übertragen. Um dem Geist der Psychosynthese zu entsprechen, wurde dafür der SinnThese e.V. gegründet als gemeinnütziger Verein, der das Buch ohne persönliche Gewinnabschöpfung herausgibt. Die Einnahmen des Buches werden der Verbreitung der Psychosynthese zur Verfügung gestellt.

Wir freuen uns und sind stolz darauf, dass wir nun die Möglichkeit haben, dieses Buch wieder an die Öffentlichkeit zu bringen. Es ist kein leicht lesbares Buch und das hat vielleicht mit dem hier beschriebenen Prozess seines Werdens zu tun. Wir hoffen, dass Luise Hubers Bericht den Leserinnen und Lesern den Zugang zu dem Buch erleichtern möge, denn es ist bestimmt ein Buch, das zu erarbeiten sich wirklich lohnt.

Mit diesem Vorwort wollen wir auch die bewegte Geschichte des Buches und den Anteil der Menschen, die dazu beigetragen haben, würdigen.

Für das Psychosynthese Haus Allgäu-Bodensee, den SinnThese e.V. und den Nawo-Verlag. Vogt, Juni 2003 Ulla Pfluger-Heist





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