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Paola Giovetti
Roberto Assagioli – Leben und Werk des Begründers der Psychosynthese


Mir scheint, dass nicht ich diese Biographie, sondern sie mich gesucht hat. Die Arbeit an und mit diesem Buch hat überraschende Wirkung gezeigt. Meine Beziehung zu Roberto Assagioli hat sich auf neue Weise vertieft. Woran es wohl liegt, dass Roberto Assagioli im Verlauf der Bearbeitung des Textes immer klarer und präsenter in den Raum zu treten schien? Dass seine Anwesenheit immer erlebbarer wurde? Ist es die Begeisterung, das Engagement und die Einfühlungsfähigkeit Paola Giovettis, der es gelingt, Person und Geist Assagiolis zu erfassen, zu durchdringen und in Worte zu kleiden, die dem Leser ein beseeltes Bild zeichnen können? Oder ist es Roberto Assagioli, der mit der Kraft seiner Persönlichkeit durch die Worte hindurch zu treten scheint?Paola Giovetti ist Journalistin. Sie schreibt die Biographie ausdrücklich nicht für Fachleute, sondern für alle, die an innerem Wachstum interessiert sind. Die Biographie erschien im italienischen Original 1995. Aus dieser Perspektive dokumentiert sie mit Assagiolis Leben und Werk auch die Entstehungszeit der Transpersonalen Psychologie und Psychotherapie, und zeigt so für uns heutige Leser gleichzeitig auf, welche enorme Entwicklung dieser Bereich in den letzten zehn Jahren erlebt hat. Vieles von dem, was Giovetti enthusiastisch als neue Erkenntnis beschreibt, ist es inzwischen nicht mehr. Wie die Autorin beispielsweise Meditation als 'Technik östlichen Ursprungs' einführt, lässt erkennen, wie fremd sie den Menschen damals noch war – heute ist sie uns so geläufig, dass der Begriff bereits bis in die Alltagssprache hineingewandert ist und sich dort niedergelassen hat.
Assagioli war nicht nur ein Pionier im Bereich der transpersonalen Psychologie und Psychotherapie, an deren Beginn er – neben anderen –wie ein Leuchtturm dasteht, ohne viel Aufhebens von sich zu machen, einfach nur still ausstrahlend. Er war auch eine Gestalt von besonderer geistiger Größe. In einem der Interviews dieses Buches sagt Matilde Santandrea, ein Schülerin Assagiolis über ihn: "...vieles habe ich erst nach zehn, fünfzehn Jahren verstanden. Er gab kurze und tiefe Antworten, die - je nach Reife der Person, an die sie gerichtet waren -, verständlich waren. Wenn ich später, nachdem ich innerlich gewachsen war, an seine Antworten zurückdachte, entdeckte ich darin immer etwas Neues." Diese Fähigkeit Assagiolis ist mir in seinen Schriften immer besonders entgegen gekommen: eine außerordentliche Mehrperspektivität. Assagiolis Aussagen sind vielschichtig, in ihnen sind viele Ebenen gleichzeitig vorhanden, von der einfachsten bis hin zu komplexesten. So dass er auf verschiedenen Bewusstseins-Ebenen verstanden werden kann – von verschiedenen Lesern, und auch von ein und demselben Leser zu verschiedenen Zeiten oder Lebensphasen. Das ist nicht nur Ausdruck eines Verstandes, der die Wirklichkeit zu durchdringen, sondern ebenso Ausdruck einer grossen Zuwendungskraft, die die Menschen und ihre Lebenswelt liebend zu umfassen vermag.
Trotz dieser Gleichzeitigkeit von Schlichtheit und Tiefe haben Assagiolis Bücher und Schriften bislang nicht die Verbreitung gefunden, die ihrer Bedeutung entspräche: "Obwohl er eine hohe Begabung zur Integration vieler Wissengebiete und zur visionären Schau der menschlichen Seelenentwicklung und der Stellung und Aufgabe des Menschen in der Welt hatte, war er kein mitreißender Gedankenkünstler wie z.B. Ken Wilber, der am Ende des 20. Jahrhunderts ähnliche Themen bearbeitet wie Assagioli ein Menschenalter vorher. Vielleicht könnte man sagen, dass Roberto Assagioli nicht so sehr von der Schönheit seiner Gedanken, sondern von der Schönheit der menschlichen Seele überzeugt war." (Winter, 2002)
Diese Wesenskraft Assagiolis leuchtet aus Paola Giovettis Buch hervor. Ihrem Enthusiasmus könnte vielleicht gelingen, was Assagioli selbst in seiner Bescheidenheit nicht möglich war: Zugang zu Assagioli und seiner Psychosynthese für einen größeren Kreis von Menschen zu ermöglichen. Das Buch ist – bei aller Korrektheit der Recherche -, keine "wissenschaftliche" Biographie und will auch nicht mit diesem Maß gemessen werden. Giovettis Zugang ist weniger von kritischer Distanz als vielmehr von ihrer Herzensneigung geprägt. Das macht gerade Zauber und Wesen dieses Buches aus. Wir wünschen uns, dass diese Biographie im deutschsprachigen Raum dazu beitragen kann, das Verständnis derer zu vertiefen, die die Psychosynthese bereits kennen und schätzen, und das Interesse anderer zu erwecken, denen sie vieles zu geben hätte.

Literatur:
Winter, K. ((2002): Roberto Assagioli - Pionier der Transpersonalen Psychologie und Psychotherapie. Zeitschrift für Psychosynthese 6, 3–7.

Vogt im Allgäu, Februar 2007 Ulla Pfluger-Heist





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